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Ein Gastbeitrag von Daniela Rieger
„Dolby Atmos Music is an immersive music experience that adds more space, clarity, and depth to your music. Instead of just hearing your music – with Dolby, it feels like you’re inside the song“ (Dolby, 2020).
Marketingtechnisch war Dolby schon immer ganz weit vorne mit dabei – ob Dolby Atmos Music auch das hält, was es verspricht, wurde bereits in diesem Blogpost untersucht: Was kann Dolby Atmos Music klanglich wirklich?.
Hier soll es nun aber um die technischen Hintergründe der neuen Technologie gehen. Oder ist Dolby Atmos Music etwa gar nicht so neu?
Der Begriff „Dolby Atmos“ ist ein Überbegriff für das immersive Klangerlebnis von Dolby, das Produktion und Wiedergabe von Musik und audiovisuellen Inhalten ermöglicht. „Immersiv“ – auch bekannt als „3D-Audio“ – bedeutet, dass Klang aus allen Richtungen wahrnehmbar ist. Dies kann im Falle von Dolby über verschiedene Codecs übertragen werden (Dolby Digital Plus, Dolby TrueHD, AC-4).
Dolby Atmos wurde im Jahr 2012 als Wiedergabesystem in Kinos eingeführt und über die Jahre auf den Heimkino-Bereich ausgeweitet. Seit 2017 ist Dolby Atmos auch über Streaming-Dienste wie Netflix abrufbar. Also daran denken. Bei dem Begriff handelt es sich eher um einen Marketing-Slogan als eine technische Definition eines Audioformates.
Mit der Einführung von Dolby Atmos Music Ende 2019 erfolgte schließlich der Eintritt in den Musik-Streaming-Markt. Trotz des Aufkommens von Musik-Streaming-Diensten wie Spotify, Tidal, Deezer oder Amazon Music*, welche den Zugang zu Musik maßgeblich verändert haben, ist die Art und Weise der Musikproduktion zumeist noch klassisch kanalbasiert.
Dolby Atmos Music hingegen ist eine objektbasierte Technologie zur Produktion und Wiedergabe immersiver Audioinhalte, basierend auf den AC-4 und Dolby Digital Plus (DD+) Codecs.
In den letzten Jahren hat objektbasiertes Audio stark an Bedeutung gewonnen, und findet nun mittels objektbasierter Technologien wie Dolby Atmos Music und 360 Reality Audio auch Zutritt zum Musik-Streaming-Markt. Im Vergleich zum kanalbasierten Audio, bei dem die Lautsprechersignale als Produktions-Endformat gespeichert und übertragen werden, werden bei objektbasiertem Audio die Audioinhalte durch Audioobjekte beschrieben.
Ein Audioobjekt kann dabei als eine virtuelle Klangquelle betrachtet werden, die aus einem Audiosignal mit zugehörigen Metadaten wie beispielsweise Positionen oder Lautheit besteht. Audioobjekte können unabhängig der Lautsprecherpositionen im Raum platziert werden – hierbei gilt zu unterscheiden zwischen dynamischen und statischen Objekten.
Im Gegensatz zu statischen Objekten verändern sich die Positionen dynamischer Objekte über die Zeit. Auch bei objektbasierten Produktionen können Kanäle verwendet und übertragen werden, die an festen Lautsprecherpositionen platziert sind.
Im Musik-Streaming-Bereich kann Dolby Atmos Music über Tidal HiFi (in Kombination mit Dolby Atmos fähigen Geräten über Kopfhörer und Lautsprecher) oder Amazon Music* (über den Amazon Echo Studio* Lautsprecher) wiedergegeben werden, Dolby arbeitet hierfür mit verschiedenen Musikunternehmen zusammen. Infolge dieser Kooperationen werden sowohl bereits in Stereo bzw. 5.1 Surround publizierte Alben und Titel neu im Dolby Atmos Music Format veröffentlicht, als auch neu dafür produziert.
Besondere Bekanntheit erlangte Dolby Atmos Music im Mai 2021. Apple kündigte groß an, mit seinem neuen Betriebssystem Dolby Atmos Music Inhalte über Apple Music wiedergeben zu können. Das Ganze funktioniert über iPhones, iPads, Macs sowie 4k TVs* und zugehörigem Dolby Atmos Home System.
Hier ist wohl die ausführlichste Verlinkung von allen Dobly Atmos Music Produktionen und ihren Playlists. Die meisten kurratierten Musiklisten haben meist maximal 100 Titel. Hier finden sich aber über 1000, Tendenz stark steigern. Also einfach mal selber reinhören in verschiedenste Genres wie:
Perfekt für Leute, die einfach mal ein Demo von verschiedenen Albums streamen wollen, die es noch nicht auf Spotify gibt. Funktioniert übrigens auch mit Sonos Lautsprechern. Man ist also nicht an Apple Produkte gebunden. So wie man es Amazon Echo Studio als exklusive Raumklanglösung für Amazon Music HD ist.
HUGE Dolby Atmos music list von Scobleizer
Für die Erstellung einer Dolby Atmos-Mischung ist zum einen der Dolby Atmos Renderer notwendig, der in der Dolby Atmos Production Suite und der Dolby Atmos Mastering Suite enthalten ist. Zum anderen werden das Dolby Atmos Music Panner-Plug-in oder die nativ in Pro Tools und Nuendo integrierten Dolby Atmos Panner benötigt.
Das Dolby Atmos Music Panner-Plugin dient zur dreidimensionalen Positionierung von Audioobjekten einer Dolby Atmos Music Mischung in einer unterstützten DAW. Der auf Objektspuren insertierte Panner liefert dem Renderer beispielsweise Positionierungs- und weitere Metadaten.
Ein Dolby Atmos Renderer ist Teil der Dolby Atmos Production/Mastering Suite. Es handelt sich hierbei um eine Software, die für das Rendering von Audio und Dolby Atmos Metadaten aus einer DAW nötig ist und ermöglicht, eine Dolby Atmos Mischung abzuhören. Der Dolby Atmos Renderer unterstützt Binaural-Rendering, welches für die Verwendung zur Codierung von Inhalten als Dolby AC-4 Immersive Stereo (AC-4 IMS) ausgelegt ist.
Die binauralen Einstellungen werden ebenfalls im Renderer aufgenommen und in das Dolby Atmos Master File Set (DAMF-Set) gespeichert. Speziell für die binaurale Mischung bietet der Renderer verschiedene Binaural-Modi: Off, Near, Mid, Far.
Diese verschiedenen Einstellungen dienen dazu, verschiedene Arten und Grade von Räumlichkeit auf die entsprechenden Objekte bzw. Bett-Kanäle anzuwenden. Near, Mid, Far beschreibt hierbei den Abstand zwischen Klangquelle und Kopfposition des Hörers, was mittels Metadaten gespeichert wird. Die Einstellungen der Binauralmodi werden während der Mischung beim Abhören, Aufnehmen oder Abspielen auf das Kopfhörersignal angewandt, bei der Lautsprecherwiedergabe spielen sie keine Rolle.
Dolby Atmos Inhalte bestehen aus Bett und Objekten, sowie zugehörigen Metadaten. Ein Bett ist ein kanalbasierter Premix bzw. Stems mit bereits enthaltenem Mehrkanal-Panning. Das Bett benötigt kein dediziertes Panning über Dolby Atmos-Metadaten – man kann sich ein Bett als traditionell kanalbasierte Konfiguration (wie 2.0, 5.1 und 7.1) vorstellen. Dabei handelt es sich um feste Positionen im Raum, die für traditionelle Lautsprecher-Layouts (einschließlich Lautsprecher-Arrays) verwendet werden.
Ein Objekt ist ein Mono- oder Stereo-Audioinhalt, der über ein dediziertes Dolby Atmos Panning verfügt und an einer beliebigen Stelle im dreidimensionalen Klangfeld platziert werden kann. Ein Audioobjekt kann – je nach Definition durch Positions- und Größen- Metadaten – eine unterschiedliche Anzahl an Lautsprechern zur Wiedergabe verwenden. Objekte können statisch oder dynamisch (beweglich) sein.
Laut Dolby muss die Dolby Atmos Music Auslieferung zur Distribution über Streaming-Dienste eine BWF/ADM-Datei sein, die aus dem Renderer exportiert wird. Hierzu wird nach Fertigstellung der Produktion zuerst ein Dolby Atmos Master File Set erstellt. Dafür wird im Renderer ein Dolby Atmos Master aufgenommen, wobei Metadaten in das Dolby Atmos Master File Set gespeichert werden. Ein .atmos-Master kann im Dolby Atmos Renderer schließlich als BWF/ADM .wav- Master exportiert werden.
Dolby Atmos Music basiert zum einen auf dem neuen „AC-4 Immersive Stereo“ (AC-4 IMS) Codec: dieser kommt bei der Kopfhörer-Wiedergabe über Musik-Streaming-Dienste wie Tidal, Deezer oder Apple Music zum Einsatz. Zum anderen basiert es auf „Dolby Digital Plus Joint Object Coding“ (DD+JOC): das wird bei der Lautsprecher-Wiedergabe via Tidal oder Amazon Music HD* verwendet.
AC-4 IMS wurde laut Dolby speziell für die Distribution von Dolby Atmos Music für mobile Endgeräte optimiert. Bei der AC-4 IMS encodierten Datei handelt es sich (zumindest nach Informationslage im Mai 2021) um eine Zweikanal-Datei, wobei die Binauralisierung bereits während des Encodiervorgangs erfolgt. Im folgenden Distributionsprozess werden letztendlich zwei Dateien übertragen: AC-4 IMS (binaural mit zwei Kanälen) und DD+JOC (Mehrkanal mit Objektmetadaten).
Dolby Atmos Music ist die neueste Addition zum „Dolby Atmos“ Kosmos. Es handelt sich dabei genau genommen um eine Mischung aus kanal- und objektbasierter Produktionsweise. Damit können wir immersive Musikinhalte für Kopfhörer und Lautsprecher produzieren. Die Wiedergabemöglichkeiten sind breit gesät, von Tidal über Amazon Music HD* und Apple Music sind verschiedenste Streaming-Anbieter dabei.
Verbesserungsbedarf könnte in der Encodierung bestehen – aktuell wird mit zwei verschiedenen Dateien gearbeitet: AC4-IMS für die Kopfhörerwiedergabe und DD+ JOC für die Lautsprecherwiedergabe.
Der Umstieg auf einen Codec für alle Formate – wie dies aktuell z.B. beim objektbasierten MPEG-H Audio-Codec der Fall ist – würde den Prozess vereinfachen und transparenter gestalten. Dennoch ist Dolby Atmos Music eine interessante Technologie, die – zusammen mit Sony’s zeitgleich veröffentlichtem 360 Reality Audio – den Musikmarkt in Richtung 3D-Audio geöffnet hat.
Interesse, Dolby Atmos Music zu produzieren? Weitere Fragen, Ideen oder Anregungen? Hier geht’s zur Kontakt-Seite! Kontakt aufnehmen
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