Christiane Mudra untersucht in „The Holy Bitch Project“ anhand von Gesprächen mit betroffenen Frauen und Expert:innen Dynamiken von analoger und digitaler Gewalt gegen Frauen in Deutschland und ihren kulturellen wie gesellschaftlichen Nährboden als immersives Theater.
Das Projekt wurde in verschiedenen Artikeln vorgestellt, was seine Wirkung und Reichweite unterstreicht.
In Anlehnung an den Film Matrix (1999) schlucken die Zuschauer:innen wie der Filmheld Neo die rote Pille, die einen Blick hinter makellose Kulissen gewährt. Das Publikum folgt den Performer:innen in ein interaktives Labyrinth aus Spielszenen und binauralem Sound, in dem häusliche, sexualisierte und digitale Gewalt erfahrbar wird und aktiv an der Inszenierung teilnimmt.
Da die Alt-Right-Bewegung und die frauenfeindlichen „Incels“ die Filmmotive zur Verbreitung misogyner Verschwörungstheorien nutzen, macht sich The Holy Bitch Project die Matrix-Welt bewusst zu eigen und etabliert ein feministisches Gegennarrativ.
Das Projekt überwindet die traditionelle Trennung von Bühne und Zuschauerraum, indem es das Publikum interaktiv einbezieht und eine intensivere Verbindung zwischen Kunst und Leben schafft.
Durch die verschiedenen Räume und Interaktivität der Performer mit dem Publikum wird eine neue Ebene an Immersion geschaffen. Mit dem Eintauchens in die Geschichten der Menschen, wurde der Zusammenhang zu den Schicksalen deutlichen. Die Bühne ein Begriff und Teil der Partizipation.
Diese Frage stellen sich viele Zuschauer, wenn sie zum ersten Mal mit dieser Art von Aufführung konfrontiert werden. Der Begriff des immersiven Theaters beschreibt eine Form des Theaters, bei der die Darsteller und das Publikum in dieselbe Umgebung integriert sind, wobei die Grenzen zwischen Realität und Fiktion oft verschwimmen. Dabei spielt VR nicht unbedingt eine Rolle für die Immersion der Welt.
Immersives Theater zeichnet sich durch die Partizipation des Publikums aus, das aktiv in die Aufführung eingebunden wird. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen, von einer vollständigen Surround-Beschallung und Beleuchtung bis hin zur tatsächlichen Interaktion der Schauspieler mit den Zuschauern. Die Involvierung des Publikums verstärkt das immersive Erlebnis, indem sie den Zuschauern ermöglicht, Teil der Handlung zu werden und direkt mit den Darstellern zu interagieren. Manch einer mag dies als immersive Erfahrung bezeichnen, da es Körperkontakt oder simulierte Erlebnisse beinhalten kann, die über das hinausgehen, was die meisten Menschen von einer traditionellen Theateraufführung gewohnt sind.
Dieses Werk aus der Kategorie immersives Theater ist gespickt mit etlichen modernen Technologien. Erkenntnisse aus der Nutzung dieser Technologien zeigen, wie wichtig sie für die Schaffung eines erfolgreichen immersiven Theatererlebnisses sind. Es spielt die Recherchen gezielt in unterschiedlichen Formaten wie Performance im Stadtraum, Hörspiel, Podcast, Film, 360°-Live-Video, Installation, Vortrag und Publikation aus. investigative theater experimentiert mit digitalen Tools wie (Web-)Apps, XR, AI, 3D Sound u.a. und sucht die Interaktion mit dem Publikum.
Für mich stand also bei der Zusammenarbeit die große Herausforderung im Raum, dass die ZuhörerInnen während des gesamten Stückes Kopfhörer tragen. So wurde also ein Kopfhörerdisko System für über 50 Personen gemietet. Vorab produzierte ich Audioinhalte, um verschiedene Szenarien abzubilden, die Gewalt gegen Frauen zeigen. Dabei sollte aber nicht plakativ nachgespielt werden, sondern empathisch vermittelt werden, wie solche Probleme auch im Alltag entstehen können. Diese Theaterstücken sind interaktiv gestaltet, sodass die Zuschauer aktiv in die Aufführung eingebunden werden.
Dank des 3D Sounds konnte eine stärke Immersion und Erkundung der emotionalen Welt mit Sicherheit erzeugt werden. So wurde im Storytelling in die Subjektive der Person gesprungen. Man verließ als Besucher des immersiven Theater also stellenweise die Beobachter-Rolle. Damit wurden also auch Aufnahmen aus der Ich-Perspektive realisiert. Die Vereinnahmung des Publikums durch diese immersive Erfahrung verstärkt die emotionale Wirkung und das Gesamterlebnis.
Darüber hinaus gab es aber auch gesprochene Live-Texte. Teilweise wurden sie mit den Aufnahmen kombiniert, die vorab aufgezeichnet wurden. So entstand etwa ein innerer Dialog der Schauspieler mit ihrem Ich aus der Vergangenheit. Dieses „ich“ wurde sprichwörtlich zeitversetzt aufgenommen. Eine ziemliche Herausforderungen für alle Beteiligten Darsteller. Das Timing war kritisch und es gab sogar Szenen wo mehrere Personen komplett gleichzeitig sprachen. Dank der binauralen Technologie konnte ich aber die Sprachverständlichkeit für alle Erzählebenen gleichzeitig verständlich machen.
Außerdem sorgte der 3D Sound für etliche Überraschungen: Durch die Externatlisierung, also dem realistischem Gefühl, dass der Ton trotz Kopfhörern von außen kommt. Gezielt wurde manchmal daher der Eindruck vermischt, ob ein Schauspieler nun live spricht, oder es voraufgezeichnet wurde. Damit konnten etwa die hilflose Lage der Opfer über den Sound erzählt werden.
Das immersives Theater Stück wurde zurecht von der Presse in mehr als einem Artikel gefeiert:
Herausragend ist die Recherche von Mudra und der Einsatz modernster Technologien. Die Website des Projekts war instrumental bei der Förderung des immersiven Theatererlebnisses und hat geholfen, ein breiteres Publikum zu erreichen.
Ich freue mich als 3D Sound Designer das Projekt als Aufgabe von der Konzeption über die Aufnahmen bis zur Uraufführung begleitet zu haben.
Immersive Technologien bereiten für Theaterstücke sehr viele Möglichkeiten, Inhalte neu zu denken. Binaurales Audio ist nur der Anfang, mit VR konnte ich in diesem Kontext bereits arbeiten und viele Grenzen von Stereo Sound überwinden.
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